Zur Zeit kann ein fundamentaler weltweiter Widerspruch beobachtet werden: In der öffentlichen Meinung unserer technisierten Gesellschaft gilt nur, was wissenschaftlich beweisbar und nachweisbar ist. Alles andere wird als „subjektiv“, als „Einbildung“, als „esoterisch“ oder „unseriös“ betrachtet. Im Grunde tickt die (Wissenschafts)Welt noch immer nach dem sogenannten Positivismus, einer philosophische Grundhaltung um 1900, nach der nur das existiert, was (wissenschaftlich) beobachtbar und messbar ist.
Und diese Wissenschaft stellt aktuell unverbrüchlich fest, dass es einen bedrohlichen Klimawandel und ein schlimmes Artensterben gibt. Ja dass in spätestens elf Jahren das Weltklima irreversibel umkippen wird, wenn nicht schleunigst gegengesteuert wird. Man hört immer wieder: Es ist nicht mehr fünf vor, sondern bereits fünf nach Zwölf.
Club of Rome 1973: „Die Grenzen des Wachstums“
Dabei hatte Dennis Meadows vom „Club of Rome“, einer Vereinigung renommierter Wissenschaftler, in einer vielbeachteten Rede anlässlich der Versammlung „Control Data – 10 Jahre in Deutschland“ bereits 1973 (!) die furchtbaren Konsequenzen eines unkontrollierten Wirtschaftswachstums und Energieverbrauchs für unsere Erde festgestellt, falls nicht umgesteuert wird.[i] Dies ist trotz der Warnungen seither nicht passiert. Der Club of Rome gibt regelmäßig Prognosen zur Weltentwicklung heraus, indem alle bisher verfügbaren Daten in Computerprogramme einspeist werden.
Meadows verglich in seiner Rede die Situation der Welt und der Menschen mit einer Fahrt mit einem großen Ozeandampfer. Schon damals forderte er, um in diesem Bild zu bleiben,
- eine Drosselung der Geschwindigkeit, um im Ernstfall mehr Zeit zu Gegenmaßnahmen zu haben;
- einen dringenden Appell an die Kapitäne, sich doch endlich auf ein gemeinsames Ziel der Reise zu einigen, um etwa schlechte oder ungeeignete Häfen von vorneherein ausschließen zu können;
- und schließlich wegen der bisherigen Kurzsichtigkeit der Kapitäne schleunigst ein gutes Radarsystem zu installieren, um Hindernisse rechtzeitig erkennen und ihnen ausweichen zu können.
Über 45 Jahre später muten diese Prognosen und Warnungen angesichts der Mächtigen dieser Welt (Donald Trump, Xi Jinping, Putin u.a.) geradezu prophetisch an. Es ist unverantwortlich, dass ein Donald Trump, der mächtigste Mann dieser Welt, all diese wissenschaftlich fundierten Warnungen in den Wind schlägt – aus äußerst egoistischen Motiven. Trump streitet die Existenz eines Klimawandels einfach ab. Und seine Wähler und täglichen Twitter-Nachrichten-Empfänger glauben ihrem Präsidenten, weil es ihnen ebenfalls genehm ist, nichts zu tun und zu verändern.
Viele wollen einen SUV
Doch kehren wir auch vor unserer eigenen Türe: Jedes dritte neu zugelassene Auto in Deutschland ist ein SUV mit einem hohen Benzin- oder Dieselverbrauch. Obwohl jedes Kind um die CO2-Belastung weiß, werden diese Autos gekauft – etwa als Statussymbol oder unter dem Vorwand, bei einem etwaigen Autounfall „sicherer“ zu sein als mit kleineren Autos.
Niemand will auf Flugreisen verzichten, wohl wissend, dass dabei der CO2-Ausstoß pro Passagier ungleich höher ist als mit einem Auto. Schließlich wollen so viele Menschen regelmäßige ihr Schnitzel essen, obwohl bekannt ist, dass der Energieverbrauch etwa an Sojabohnen via Tierfleisch etwa zehn mal so hoch ist wie bei dem Aufnehmen der gleichen Früchte als pflanzliche Nahrung (als Veganer).
Es herrscht also bei den meisten Menschen in den Industrieländern ein fundamentaler Widerspruch: Man gibt sich ausschließlich (natur)wissenschaftlich, etwa wenn es um die Erklärung von Umweltproblemen geht. Gleichzeitig hält man sich aber im privaten Leben mit Nichten an die Konsequenzen daraus. Man konsumiert ungeniert weiter und hat durch den Ausstoß von gefährlichen Treibhausgasen einen hohen, unsere Mutter Erde belastenden Energieverbrauch. Der Widerspruch besteht also auch zwischen den klaren offiziellen naturwissenschaftlichen Prognosen und einem letztlich unethischen Verhalten einer Mehrheit von Menschen, die offensichtlich Veränderungen ihres Konsumdenkens fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Treiben wir also unaufhaltsam in die (Klima)Katastrophe?
Zwei junge Mädchen mischen die Welt auf
Vor dem Hintergrund meiner beiden Schulfächer Physik und Religion kann ich im Augenblick zwei erfreuliche Gegenbewegungen wahrnehmen, die diese enge Zukunfts- und Katastrophen-Sicht wieder deutlich aufweiten. Alles hängt von der Änderung der Einstellung möglichst vieler Menschen ab, von einer individuellen und kollektiven Bewusstseinserweiterung also, von einem radikalen Umdenken im bisherigen Leben.
Zu meinem Erstaunen kommen diese Impulse von zwei jungen Mädchen mit Handicaps, die vor dem Hintergrund unserer gnadenlosen Leistungsgesellschaft in ihrem Leben eigentlich benachteiligt sind: Greta Thunberg (16, Schweden, Asperger Syndrom) und Christina von Dreien (18, Schweiz, extreme Frühgeburt). Beide hatten es in ihrem bisherigen jungen Leben schwer, mussten im ganz praktischen Alltag mit großen Schwierigkeiten kämpfen und damit fertig werden. Offensichtlich haben sie gerade diese Nöte und Benachteiligungen stärker gemacht, sie für ihr bevorstehendes Wirken erst „eingeweiht“ und ihnen einen ganz anderen Blick auf das Leben und die Welt ermöglicht:
- Worauf kommt es denn in unserem Leben wirklich an?
- Wo muss möglichst schnell umgesteuert und was muss verändert werden?
- Wie können wir Gottes gute Schöpfung noch retten?
- Wie kann ich als einzelner meinen Weg im Leben finden?
Es geht den Mädchen also um eine neue, verantwortliche politische, soziale und spirituelle Ausrichtung der Menschen. Sie stellen Sinn- und Zukunftsfragen, die die meisten Erwachsenen verdrängen. Und wie der Zulauf zeigt, haben beide große Erfolge, lösen beide weltweit heftige Debatten aus, geben beide Impulse für ein anderes, sinnvolles und verantwortliches Leben – kollektiv und individuell. Die Nutzung der heutigen sozialen Medien kommt ihnen dabei zu Hilfe. Beiden ist noch folgendes gemeinsam: Sie konnten ihr öffentliches Wirken erst in dem Moment starten, als ihnen ihre Eltern endlich zuhörten und ihre Gedanken und Ideen total ernst nahmen.
Zum Schluss noch einige Zitate aus den Reden dieser Mädchen:
Im Dezember 2018 spricht Greta vor der UN-Klimakonferenz in Kattowitz: “Ihr seid nicht reif genug, die Fakten auszusprechen. Selbst diese Bürde überlasst Ihr den Kindern.”
Im Januar 2019 ruft sie in Davos der selbsternannten globalen Elite zu: „Ich will, dass Ihr in Panik geratet“, und spricht von denen, die die Zukunft des Planeten opfern, um „unvorstellbar viel Geld“ zu verdienen: „Ich denke, viele von Ihnen hier gehören zu dieser Gruppe.“[ii]
Weil die Menschen diese universalen Gesetze vergessen haben, gibt es nach Ansicht Christinas so viel Unheil, Aggression, Egoismus und Lieblosigkeit in der Welt: „Die Menschen verhalten sich heutzutage auf der Erde wie in einem Spiel, bei dem sie die Spielanleitung verloren haben.“[iii]
Peter Maier, (Lehrer für Physik und Spiritualität, Autor)
[i] Der Titel des damaligen Vortrags in Frankfurt lautete: „Kurskorrektur oder bis zur Kollision“
[ii] Süddeutsche Zeitung vom 26.4.2019, S. 3
[iii] Bernadette von Dreien: Christina. Die Vision des Guten. S. 10
Bücher von Peter Maier:
Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft
Band I: Übergangsrituale; Band II: Heldenreisen;
Schule – Quo Vadis? Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens
Weitere Infos und Bezugsquelle: www.initiation-erwachsenwerden.de
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