Kann Landschaft heilen? Besitzen ein Berg, eine Quelle oder besonderen Bäume im Wald mehr als nur natürliche Schönheit? Die Geomantie bejaht diese Fragen. Tatsächlich kann man Landschaftsenergien nutzen und mit ihnen arbeiten und etwas bewirken, wenn man ihre Dynamiken genauer kennen lernt. Ein Abenteuer und eine Selbsterfahrung namens: Geomantie.
Gleichzeitig gilt, dass je natürlicher und reichhaltiger ein Landschaftsraum ist, auch die darin möglichen Erfahrungen tiefer und reichhaltiger werden. Ein solcher Erfahrungsraum ist zum Beispiel der Odenwald. Seine abwechslungsreiche Geologie, seine Berge, Hügel und Quellen, die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt und nicht zuletzt seine Sagen und Mythen bieten eine reichhaltige Erlebniswelt.
Was bedeutet Geomantie?
Kurz gesagt, ist Geomantie die Kunst, die Erde zu lesen, um damit das Wesen und Wirken eines Ortes zu erkennen. Der Begriff kann prägnant als „Weisheit der Erde“ beschrieben werden.
Der Geomantie zufolge besitzt auch die Landschaft eine körperliche, eine geistige und eine seelische Dimension, die ganzheitlich geachtet und gewürdigt werden will, und die ihren spezifischen Ausdruck im jeweiligen Landschaftscharakter findet. Die äußere Form einer Landschaft und ihr subtiles Kräftesystem bilden ein unverwechselbares weiträumiges Potenzial, das in sensibler Wechselwirkung mit seiner direkten und weiteren Umgebung steht.
Mit einem tief verwurzelten Wissen um die Dinge war es für die Menschen der Frühzeit ein Selbstverständliches, ihr Leben, Wohnen und Arbeiten mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur in Einklang zu bringen. Viele Städte, Kultstätten und später dann Kirchen oder Kapellen wurden mit diesem Wissen auf geomantisch markanten Punkten errichtet und bewusst gestaltet. So verfügen wir über einen reichen Schatz an speziell gestalteten Orten und Städten, deren geistige Ausrichtung wir mit geschultem Auge heute noch lesen können.
Der Blick auf den Landschaftsraum Odenwald
„Schau in die Landschaft und du schaust in die Seele der Natur”
Der Odenwald ist ein Mittelgebirge, begrenzt von den Flüssen Rhein, Neckar und Main. Der größte Teil und das Herz des Odenwaldes liegen in Hessen. Der südliche Teil des Odenwalds liegt auf der anderen Seite des Neckars, in Baden-Württemberg.
Der natürliche Verlauf eines Bergrückens im östlichen Teil grenzt den hessischen vom bayrischen Odenwald ab. Diese natürliche Grenze nutzten auch die Römer und errichteten den Odenwaldlimes auf dem Scheitel des Bergverlaufes. Die unterschiedlichen Landschaftsräume haben ganz eigene Qualitäten und tragen zu einem abwechslungsreichen Landschaftsbild bei.
Erlebbare Geologie: Gesteine schaffen Atmosphäre
Der Odenwald erhielt 2015 die Auszeichnung „Europäischer Geopark“ aufgrund seiner vielfältigen, einzigartigen geologischen Gegebenheiten: Kristalliner- und Sandstein-Odenwald werden ergänzt durch Vulkangestein und Kalkinseln des Trias. Gegliedert ist dieser in den westlichen vorderen Odenwald („Kristalliner Odenwald“) und östlichen Buntsandstein-Odenwald, der sich bis zum Main und darüber hinaus in den Spessart zieht.
Gesteine prägen und gestalten die Landschaft mit ihrer Kraft. Das Gestein und die formbildenden Prozesse (Geomorphologie) sind die Grundlage für die Vielfalt des Lebens, die sich in Wasser, Bäumen, Pflanzen, Tiere und uns Menschen, die sich dort ansiedeln, zeigt. Der vordere kristalline Odenwald mit seinen kieselsäurehaltigen magmatischen Tiefengesteinen wie dem Granit ist sehr undurchlässig. Feldspat, Quarz und Glimmer, die Bestandteile des Granits, sind fest verzahnt und undurchlässig. In Landschaftsräumen mit Granit finden sich viele Quellen, Bäche und Flüsse und es siedeln sich Pflanzen an, die den (kiesel-) säurehaltigen Boden gerne mögen.
Ein Sediment wie der Buntsandstein entstand durch exogene Kräfte, also Vorgänge, die auf die Erdoberfläche einwirken. Das sind Wind (äolische Kraft), fließendes Wasser (fluviale Kraft), Eis und Gletscher (glaziale Kraft) und Meere (maritime Kraft). Erdgeschichtlich wurde das alte variskische Gebirge über Millionen von Jahren zu einem welligen Rumpf abgetragen. Zeitweise von einem Ozean überflutet und von Vulkanen aufgerissen, lagerten sich im Erdzeitalter Mesozoikum mächtige Kalk- und Sandschichten ab.
Der Odenwald – ein Raum der Mythen, Sagen und Legenden
Der Name Odenwald kann abgeleitet werden von der germanischen Ode, d.h. Sage, „Wald der Sagen“. Möglich ist aber auch eine Sprachwurzel vom germanischen Gott Odin (Odinswald), oder vomWort „öde“ als dünn besiedelt (Ödewald).
Die tiefen und schwierig zu durchdringenden Wälder mit den bizarren Felsformationen beflügelten schon immer die Menschen in Ihrer Fantasie und inneren Bilderwelten. So entstanden zahllose Sagen und Legenden, die sich um markante Orte im Odenwald ranken. Regionale Sagen ranken sich um die streitenden Riesen am Felsenmeer, um den Ritter Rodenstein mit seinem Geisterheer oder auch um den Wildweibchenstein bei Laudenau mit seinen bizarren Granitfelsformationen.
Darüber hinaus beginnt hier eine der ganz großen bewegenden, europäischen Sagen, das Nibelungenlied. In ihr ist der Odenwald das Jagdgebiet der Helden des Epos; und an einer der Quellen des Waldes soll Hagen den Helden Siegfried heimtückisch erschlagen haben.
Sprudelnde Erkenntnis: Quellheiligtümer und Kultplätze
Die Quellkirche in Hesseneck-Schöllenbach war einst ein bedeutender Wallfahrtsort. Zwei ergiebige Quellen entspringen in der Kirche unter dem Altar. Die Itter (oder der Itterbach) bildet noch heute die Grenze zwischen Baden-Württemberg und Hessen.
Auch die Marien-Quellkirche in Amorsbrunn bei Amorbach ist ein uralter germanischer Kultplatz, der den Quellnymphen geweiht war. Auf dem alten Heiligtum ist heute eine Kapelle mit einem Heilbad zu finden.
Eine wunderschöne mystische Wanderung zu einigen Quellheiligtümern: Vom kalten Brunnen bei Hammelbach über den Siegfriedbrunnen bei Grasellenbach, vorbei an dem rotem Wasser von Olfen – einem feenhaften Hochmoor – weiter zur Quellkirche in Güttersbach und dem sagenumwobenen Weißfrauenbrunnen.
Die Vielfalt der Gesteine, der Artenreichtum der Pflanzen und Tiere zeigen eine lebendige Landschaft. Gehen Sie mal wieder wandern! Streifen Sie mit offenen Sinnen durch den Odenwald, es macht Ihr Leben reichhaltiger, ausgeglichener und – eben auch – natürlicher.
Franca Bauer
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