Neuseeland ist ein Traumziel, der Inbegriff von ganz weit weg. Auf der anderen Seite der Erdkugel, mitten im südlichen Pazifik, „irgendwo hinter Australien“, liegen die beiden Hauptinseln. Teil 2 des Berichts handelt von einer Reise zur Südinsel, von einer Gletscherwanderung, einem beschwipsten Kea und einem sehr kreativen Künstler.
Der Gletscher
Neuseeland Südinsel, Southern Alps , 15. Dezember 2917, 12.00 Uhr
Im Tal unten nervt der Lärm der Hubschrauber. Ich aber sitze in einem neben dem Piloten, hinter mir zwei Australier, und bestaune den Anblick der gezackten Eistürme des Fox-Gletschers und der steilen Talwände, an denen der Helikopter beunruhigend dicht entlang fliegt. Wir nähern uns dem Landeplatz am unteren Ende des Fox Gletschers und meiner ersten Gletscherwanderung. Eine viertel Stunde vor dem Start war noch nicht einmal sicher, ob wir überhaupt fliegen können, denn dicke Wolken brauten sich um die Gipfel zusammen. Jetzt stehe ich hier oben, pfriemele die Steigeisen an meine Schuhe und gerate ins Schwitzen, denn die Wolken haben sich so schnell verzogen, wie sie gekommen sind. Glückspilzwetter, denke ich glücklich. Der Helikopter entschwindet dröhnend zurück ins Tal und hinterläßt eine berauschende Stille.
Wir folgen John, dem Guide, der uns streng ermahnt, immer hinter ihm zu bleiben. John war früher Gletscherführer in Alaska. Ich vertraue seiner Erfahrung, dass er uns sicher an Spalten und Abgründen vorbei führt.
„Der Fox Gletscher ist an seiner dicksten Stelle, am Schneefeld ganz oben, mehr als 300 Meter dick“, erklärt er uns. „Er fließt bis an den Rand des subtropischen Regenwalds herab und endet in nur 250 Meter Höhe und 12 Kilometer von der Küste entfernt.“ Vier Hochgebirgsgletscher nähren ihn auf seiner 13 Kilometer langen Reise, bei der er 2600 Höhenmeter überwindet.
Er ist wunderschön. Und irgendwie dramatisch. Das Eis glitzert in der Sonne, weiß und grell oder klar und blau. In Senken hat sich klares Wasser gesammelt, Eisbrüche bilden bizarre Türme, Spalten verschwinden in der Tiefe. Über uns erheben sich die vier höchsten Gipfel der Southern Alps und ein strahlender Himmel. Am Rand ist das reine Weiß des Gletschers mit grauem Staub bedeckt. Wenn die tonnenschwere Wucht des Gletschers durch das enge Tal rutscht, zermalmt er Felsen und Gestein zu feinem Mehl, das der Wind auf seinen Rändern verteilt und ihn immer irgendwie schmuddelig aussehen läßt.
An einem Loch im Eis holt John eine Tasse aus seinem Rucksack und fängt das Schmelzwasser auf. „40 Jahre altes Wasser“, sagt er grinsend. So lange dauert es, bis der Schnee von ganz oben bis hierher rutscht. John führt uns zu einem Tunnel aus Blaueis, eine Märchenlandschaft tut sich auf. An einem Seil hangeln wir uns durch den spiegelglatten Stollen, ich fühle mich wie eine Entdeckerin. Viel zu früh holt uns der Helikopter aus der Märchenlandschaft wieder ab.
Am nächsten Morgen wandere ich durch das Tal zum Gletschermund. Eine Absperrung hindert neugierige Touristen daran, zu dicht an das Eis zu laufen, von dem hin und wieder riesige Brocken stürzen, vom Gesteinsmehl getrübtes Wasser rauscht ins Tal.
Es regnet. Schon wieder Glückspilzwetter, denn ich bin fast allein unterwegs und kein Hubschraubergeknatter trübt die Stille.
Der Kea
Südinsel, Southern Alps, 18. Dezember 2017, 15.00 Uhr
Biologen tun sich im allgemeinen schwer, eindeutige Aussagen zu treffen, aber im Fall des Kea sind sich die Forscher einig: Studien belegen, dass er der intelligenteste aller Vögel ist. Er zog sich im Laufe der Evolution ins Hochgebirge zurück, wo er zwar keine Feinde und Konkurrenten hat, aber auch ein spärliches Nahrungsangebot, um das er sich mit unerschöpflichem Einfallsreichtum und Neugier bemühen muß. Der Kea ist der einzige Papagei, der oberhalb der Baumgrenze zuhause ist und im Schnee herumstiefelt.
Ich bin in Fox Glacier Village in den Southern Alps und habe heute Putztag. Will heißen, ich räume in meinem Camper auf. Zur Aufmunterung habe ich mir ein Glas vorzüglichen Sauvignon Blanc eingeschenkt und auf den Tisch draußen gestellt.
Und schon kommt er angehüpft, der Kea, mit einem Stück Pappe im scharfen Schnabel. Ein schöner Kerl mit seinem grünen Gefieder, die Unterseiten der Flügel leuchten orange auf, als er zielstrebig mit einem Satz auf den Tisch hopst. Mit Schwung wirft er die Pappe weg und taucht seinen Schnabel ins Glas. Dann putzt er sich den Schnabel an meinem Handtuch ab, das über dem Stuhl hängt. Fünf kleinfingergroße Löcher sind anschließend darin. Und dann ist die Bettwäsche dran, die draußen lüftet. Mit sichtlicher Wonne hüpft er in die weichen Kissen, stakst darauf herum und zerrt und zupft an den Zipfeln. So sieht sie also aus, die unglaubliche Intelligenz dieses Vogels. Ich glaube ja vielmehr, dass er einen Schwipps hat.
Der Künstler
Südinsel, Papatowai, Catlins, 21. Dezember 2017, 17.00 Uhr
Manchen Versuchungen kann man einfach nicht widerstehen, steht auf einem Schild neben dem Knopf. Ich kann nicht widerstehen und drücke darauf. Wasser spritzt mir ins Gesicht und die kleine Holzfigur, die neben der Treppe auf einem Podest steht, lacht scheppernd.
The Lost Gypsy, der verlorene Zigeuner, steht außen am Bauwagen, der als Galerie dient. Der Eintritt ist frei. Mit ein paar kleinen harmlosen Ideen und mechanischen Basteleien fing es an, inzwischen ist der Wagen vollgestopft mit Dingen, an denen man kurbeln oder herumdrücken kann. Es quietscht, knattert und plätschert überall. Plätschern mag der Künstler besonders. Ein kleines Riesenrad mit Muscheln statt Gondeln fährt durch eine Schale Wasser, wenn man an der kleinen Kurbel dreht. Es gluckst fröhlich.
Ein ähnliches Gerät steht draußen mannshoch. Dosen, Kannen und Stiefel schaufeln das Wasser.
Im Garten schauen Drachenschwänze aus Blech aus einer dicken Hecke und bewegen sich schlangengleich, wenn man kurbelt. Eine Art Hobbithöhle beherbergt weitere Skurrilitäten, die wackeln, scheppern, kreischen, klappern, dröhnen, klingeln, blinken, blitzen und leuchten. Ich staune über den Einfallsreichtum, eine Art Spielgarten für die ganze Familie.
Blair Somerville sitzt im Unterhemd inmitten seiner kleinen vollgestopften Werkstatt. Er ist Künstler, Mechaniker, Baumeister, Erfinder der zahllosen mechanischen Spielereien, die den Bauwagen und jedes Fleckchen Garten bevölkern. Wie er dazu gekommen ist, frage ich. Das hat sich so ergeben, sagt er nur. Er gehört zur schweigsamen Sorte.
Damit paßt er hervorragend in diesen Teil Neuseelands. Einsam, wild und rau sind die Catlins im Südosten der Südinsel. Der Wald ist dicht, das Meer kalt und ungestüm, die Strände endlos, unterbrochen nur von hohen Klippen. Hier ist genug Platz für jeden Kauz.
Blair schneidet an einem Stück Blech. Was er als nächstes macht, will ich wissen. Er schaut mich mit braunen Augen an, als verstünde er die Frage nicht, und lächelt nur.
Neuseeland ist so unglaublich weit weg vom Rest der Welt, so dass die Neuseeländer selbst manchmal die übrige Welt zu vergessen scheinen. Für die Menschen in den Catlins trifft das auf jeden Fall zu. Für mich war Neuseeland lange ein Traum. Daran hat sich auch nach mehreren Reisen dorthin nichts geändert. Ich komme wieder.
Christiane Schöniger, Event- und Reise-Organisatorin und Herausgeberin eines Magazins. Sie liebt Natur, Wandern und Reisen, übt seit über dreißig Jahren die Kunst des Japanischen Bogenschießens und hat das Fotografieren wieder für sich entdeckt.
Auf sehr persönlich geführten Reisen iKleingruppen zeigt sie Ihnen mit großer Freude ihre Lieblingsplätze in Neuseeland.
Neuseeland – Rundreise, weite Landschaft, wilde Natur, Maori Tradition
www.christiane-schoeniger.de/neuseeland-rundreise
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