Im August nahm ich an einer Visionssuche im slowenischen Dragoniatal teil. Dieses Ritual zur Selbstfindung und Selbststärkung dauerte zwölf Tage. Nach einer viertägigen Vorbereitung in der Gruppe wurde jeder der Teilnehmer von den Leitern alleine zur sogenannten „Solozeit“ in die wilde Natur hinausgeschickt – ohne Essen, ohne Zelt und ohne Smartphone. Vier Tage und vier Nächte musste man dort verweilen. Mit dabei hatte man nur einen Schlafsack, eine Matte, eine große Regenplane, einen Rucksack mit Wechselwäsche, ein Tagebuch und etwa 16 Liter Wasser.
Da die sonst üblichen Ablenkungen fehlten, geriet man schnell in eine „Anderswelt“ – in einen rechtshirnigen Zustand, geprägt von den langsamer schwingenden Alphawellen. Die Wahrnehmung kann sich „allein da draußen, fastend in der Wildnis“ wesentlich verändern – hin zu einem tieferen Bewusstsein.
Die Kornelkirsche heilt mein Leben
Nach der Rückkehr aus der Solozeit erzählte jeder Teilnehmer von seinen Erlebnissen. Die ganze Gruppe hörte aufmerksam zu. Uns alle hat die Geschichte von Maria (Name geändert), einer 53-jährigen Frau, sehr berührt. Sie hatte ein sehr schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Als sie ein sechs Wochen altes Baby war, musste ihre Mutter wegen einer Brustentzündung ins Krankenhaus. Erst nach 23 Tagen kam sie wieder zurück. In der Zwischenzeit war Maria bei ihrer Großmutter. All die Jahre fühlte sich Maria wie abgeschnitten ihrer Mutter gegenüber. Die Beziehung zu ihr war wie tot, wie eingefroren. Außerdem fühlte sie eine diffuse Wut ihr gegenüber. Etwas in ihr war total blockiert. Deshalb wollte Maria hinausgehen in die Wildnis, um eine befreiende Antwort oder eine heilende Vision zu ihrem Problem zu bekommen.
Maria erzählte uns folgende Geschichte:
„Am dritten Tag hatte ich nachmittags, als ich auf einer Wiese am Rand von einigen Bäumen und Büschen saß, ein seltsames Erlebnis. Ich sah meine Mutter und mich als kleines Kind. Wir standen uns gegenüber und waren durch eine dicke, durchsichtige Nabelschnur miteinander verbunden, durch die laufend eine gelbrote Flüssigkeit gepumpt wurde. Sie nährte mich, sie war das Lebenselixier. Ich fühlte mich geborgen
Doch plötzlich wurde meine Mutter von mir weggezogen und die Nabelschnur riss entzwei, obwohl meine Mutter verzweifelt versuchte, das zu verhindern. Sofort tropfte die Flüssigkeit auf den Boden. Ich wusste, dass ich nun sterben würde, ich hatte keine Versorgung mehr. Denn die gelbrote Flüssigkeit war Mutternahrung und ‚Liebesfluidum‘ zugleich. Es war schrecklich, ich hatte Todesangst. Doch dann geschah etwas ganz Unerwartetes. Aus dem Boden erhob sich eine riesige Erdkröte, die mit ihrem Maul meine Lebensflüssigkeit auffing.
Zugleich hörte ich hinter mir eine Stimme: ‚Dein Leben ist nicht verloren. Mutter Erde hat die Flüssigkeit für dich bewahrt. Durch mich kannst du sie wieder bekommen. Meine Früchte werden dich heilen.‘ Als ich mich umdrehte, nahm ich einen Strauch mit intensiv-roten Früchten wahr. Zugleich stellte ich fest, dass ich von vielen bunten Schmetterlingen umkreist wurde. Das war mir zuvor gar nicht aufgefallen. Ich probierte von den Früchten, sie schmeckten etwas bitter. Bevor ich heute Morgen aus meiner Solozeit zurückkehrte, pflückte ich einige Früchte und brachte sie mit. Ich frage mich aber, wie diese mich heilen und mir bei der Auflösung meiner Lebensblockade helfen sollen…“
Betrachtung
Bei den Früchten handelt es sich um Kornelkirschen. Die Sträucher sind in Deutschland in öffentlichen Parkanlagen und Gärten zu finden; und sie wachsen bisweilen auch wild auf Feldrainen oder an Bahndämmen. Liebhaber schätzen ihre zartgelben Blüten, die deutlich vor den Forsythien austreiben, daher als willkommene Boten des Frühlings gelten und das Gemüt der Menschen nach einem langen Winter erfreuen können.
Kenner der Kornelkirsche sammeln die Früchte im Oktober, um daraus wunderbare Marmelade zu machen. Die Kirschen müssen jedoch sehr reif und kurz vor dem Abfallen sein, um ihre ganze herbe Süße entfalten zu können.
In Marias Vision waren zwei Erlebnisse eindringlich: Die Kornellkirschen hatten die gleiche Farbe wie die verlorene Flüssigkeit, als die Nabelschnur zu ihrer Mutter riss. Und es war auffällig, dass sie von so vielen Schmetterlingen umschwirrt wurde und so auf den Kornellkirschen-Strauch aufmerksam wurde. Maria ahnte, dass es noch einige Zeit dauern würde, um das ganze „Bild“ zu verstehen, das ihr in dem Tagtraum offenbart worden war.
Wie aber sollten die Seelenenergien zu ihr zurückkehren, die bei der damaligen Trennung verloren gegangen waren? Wie könnte ihr die Kornelkirsche dabei helfen? Maria wusste bei ihrer Abreise aus Slowenien nur eines: Sie würde sofort nach ihrer Ankunft in Bayern nach der Kornelkische suchen und alle Informationen einholen, die sie dazu bekommen konnte. Sie vertraute ihrer Vision ganz fest.
Ein Ritual, das heilt
Wie ging es für Maria weiter? Ich konnte von ihr später folgendes erfahren:
„Nach der Visionssuche fand ich bald viele Kornelkirschen-Sträucher an einem Bahndamm in der Nähe meines Dorfes. Vier Wochenenden lang kochte ich die gesammelten Früchte, entkernte sie mühsam und stellte daraus insgesamt 20 Gläser Marmelade her. Ein Jahr später ging ich an einem Abend mit einem vollem Glas Kornel-Marmelade hinaus zu meiner Ritualwiese. Dort passierte etwas Seltsames. Wie bei der Visionssuche wurde ich auch jetzt plötzlich von vielen Schmetterlingen umkreist. Außerdem flogen immer wieder Schwalben nah um mich herum. Was sollte das bedeuten?
Ich stellte vier Kerzen zu einem Medizinkreis am Boden auf, in dessen Mitte ich die Marmelade in einer offenen Schale platzierte. Ich selbst setzte mich daneben. Nun bat ich das Universum und alle guten Geister in der Natur, dass die als Baby bei der Trennung von der Mutter verlorene gelbrote Herzensflüssigkeit in die gelbrote Kornelkirschen-Marmelade als Trägersubstanz zurückfluten möge.
Drei Stunden saß ich dort – vor und nach dem Sonnenuntergang. Dabei hatte ich das Gefühl, dass mit jedem Vorbeiflug eines Vogels und mit jedem Umkreist-Werden von einem Schmetterling immer mehr von dem vermissten „Fluidum“ meiner verlorenen Seelenenergie in die Masse der Marmelade zurückflutete. In der Dämmerung schließlich verzehrte ich die Marmelade ganz langsam und bewusst. Ich bekam dabei den Eindruck, dass mit jedem Löffel der Substanz viel von dem in mich zurückkam, was ich als Baby verloren hatte: die Liebesenergie meiner Mama. Das war wunderbar.
Drei Monate später hatte ich das sichere Gefühl, dass zurückgekehrt war, wonach ich ein ganzes Leben lang so gesucht hatte: meine eigene Liebesfähigkeit. Ich wusste nun ganz tief in mir, dass ich die Liebe wieder in mir habe, dass ich Liebe geben und empfangen kann. Das ‚Liebesfluidum‘, ohne das wirkliches Leben gar nicht möglich ist, ist wieder in mir, der verlorene ‚Seelenteil‘ ist in mich zurückgekehrt. Neben den wunderbaren Schmetterlingen und den Vögeln war die ‚Kornelle‘ die materielle Trägersubstanz für den Rücktransport der geistig-seelischen Energieinformation geworden. Ich bin so froh darüber, denn nun spüre ich endlich einen warmen Liebesstrom zu meiner Mutter und meiner Tochter.“
So war die Kornelkirsche in wunderbarer Weise ein Symbol für die Heilung der psychischen Verletzung bei Maria: Mutter Natur als Lehrerin und Heilerin auf allen Ebenen!
Die Kornelkirsche – eine in Vergessenheit geratene Heilpflanze
Die Kornelkirsche wird auch „Herlitze“, „Dirndlstrauch“ oder „Tierlibaum“ genannt und gehört zu den „Hartriegeln“ (= Cornus). Sie ist in Süd- und Mitteleuropa verbreitet. Durch ihre frühe Blüte ist sie eine wichtige Bienennährpflanze. Auch als Vogelschutzgehölz ist sie ökologisch bedeutsam. Zudem kann sie durch ihr intensives Wurzelsystem einen erosionsgefährdeten Boden gut befestigen. Fliegen und Käfer ernähren sich von ihren Pollen und ihrem Nektar. Vielen Vogelarten bietet sie mit ihren Früchten wertvolle Nahrung. Kein Wunder, dass die Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten in Nordrheinwestfalen die Kornelkirsche bereits 1998 in einer Pressekampagne zur „Pflanze des Monats“ gekürt hat.
Peter Maier, Lehrer für Physik und Spiritualität, Lebensberater, Initiations-Mentor, Autor
Peter Maier, Heilung – Die befreiende Kraft schamanischer Rituale
Softcover: 18,99 Euro, eBook: 11,99 Euro, www.epubli.de
weitere Titel:
Heilung – Plädoyer für eine integrative Medizin
Heilung – Initiation ins Göttliche
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