„Indem du dich bewusst mit dem Geist der Bäume – dem Kraftbaum – verbindest, richtest du dich auf die Kraft aus, die aller Schöpfung zugrunde liegt.“
Wie bedeutsam Bäume für unser gesamtes Ökosystem und damit für unser Überleben sind, ist den meisten Menschen bekannt. Darüber hinaus boomt seit einigen Jahren der Trend des „Waldbadens“. Zahlreiche Studien belegen wie gesund es ist, Waldluft einzuatmen und dass alleine schon der Anblick eines Baumes genügt, um die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Dass Bäume aber jenseits des wissenschaftlich Meßbaren seit jeher auf sehr heilsame Art und Weise mit uns Menschen kommunizieren haben wir im Laufe der Zeit fast gänzlich vergessen.
Bei so gut wie allen Naturvölkern der Erde gibt es noch so etwas wie Baumverbündete – Geistführer aus der Pflanzenwelt, die in schwierigen Lebenssituationen unterstützend als Heiler, Wegweiser oder Beschützer auftreten. Jeder Baum hat dabei seinen eigenen Charakter, sein eigenes ihm innewohnendes Wesen, das ihn auszeichnet. Ihnen wohnen Kräfte und Energien inne, die uns wieder zurück in unsere eigene Kraft und Mitte bringen können. Ein Wissen um die Natur und die Kraftbäume, das schon die naturheilkundigen Menschen unserer keltisch-germanischen Vorfahren pflegten.
Im folgenden möchte ich dir einen Einblick in das geheimnisvolle Wesen einiger unserer heimischen Nadelbäume geben – Bäume, die als Kraftbäume unseren Vorfahren einst heilig waren.
Die Kräfte von Tanne, Rotkiefer und Eibe
Die Tanne, Mutter unter den Nadelbäumen
Als Sinnbild für Weihnachten ist die Tanne aus unserem Leben heutzutage nicht mehr wegzudenken. Ihr Duft wirkt für die meisten Menschen beruhigend und versetzt sie in wohlig-warme Kindheitserinnerungen. Ein Kraftbaum war sie aber seit jeher, lange bevor sie für uns zum berühmten Weihnachtsbaum wurde. Für unsere keltisch-germanischen Vorfahren symbolisierte die immergrüne Tanne die weiblich-schützende und erneuernde Kraft eines Lebensbaums. Lebens- oder Weltenbäume standen in der germanischen Mythologie für den Ursprung aller Schöpfung. In diesem Sinne war auch die Tanne ein Kraftbaum, der an die Heiligkeit des Lebens und allen Seins erinnerte. Der Brauch, zur Wintersonnenwende die Stube mit einer Tanne zu schmücken, blieb lange erhalten. Im christlichen Europa verschwand er aufgrund der Unterdrückung des Heidentums jedoch weitestgehend, bis er schließlich im 18. Jahrhundert wieder aufzuleben begann.
Im Gespräch mit dem Geist der Tanne offenbarte sie mir folgendes:
Mein Geist ist sanft und weich
und doch so klar gerichtet,
so zeig ich dir mein dunkles Reich,
das Vertrauen sät und Zweifel lichtet.
Denn ich trage eine Liebe tief in mir verborgen,
sich zeigend als ein warmes Feuer, das dich wärmt und lindert alle Sorgen.
Um in tiefer Innenschau und Stille zu erkunden,
was dir hilft den Schmerz zu lindern und zu gesunden.
So streb ich hoch empor und ziele weit,
und bringe Botschaft dir im Schutze von Geborgenheit.
So wie ein Kind im Schoße seiner Mutter Zuflucht sucht,
bin ich der Baum, der dir nur Gutes tut.
Die Tanne – Kraftbaum für dein Seelenheil
Die Tanne wirkt harmonisierend und beruhigend auf den Geist. Ihr zutiefst mütterliches, sanftes Wesen nährt deine „Herzintelligenz“, fördert dein Einfühlungsvermögen und lehrt dich die Fähigkeit zur weisen Innenschau. In ihrer herzöffnenden Eigenschaft erfährst du durch sie Schutz und Geborgenheit und gewinnst neues Vertrauen ins Leben. Besonders in Momenten von Angst und quälendem Zweifel legt sich ihre besänftigende Energie wie Balsam auf die verletzte Seele – ähnlich wie die liebevolle Stimme einer Mutter, die ihrem Kind tröstend über den Kopf streicht und leise „Ich hab dich lieb, alles ist gut“ flüstert. Zudem steht die Tanne wie kaum ein anderer Baum für Aufrichtigkeit und Treue zu sich selbst, die mit einer gesunden Zielstrebigkeit einhergehen. Mit sanfter aber bestimmter Hand fordert sie dich auf, deinen Träumen und Idealen zu folgen, deine Wahrheit zu leben und niemals aufzugeben.
Rotkiefer – Befreiender Atem des Waldes
Im Wald sind vor allem ältere Rotkiefern leicht anhand ihrer zweifarbigen Stämme zu erkennen. Während ihre Borke im unteren Stammbereiche graubraun gefärbt und grobrissig ist, wechselt sie zur Krone hin in ein leuchtendes Rotorange und ist deutlich feinschuppiger. Daher auch ihr Name Rotkiefer oder Feuerbaum. Für unsere keltisch-germanischen Vorfahren war die Rotkiefer durch und durch ein Lichtbaum. Aus ihrem harzreichen Holz wurden besonders hell und lang brennende Kiefernfackeln gefertigt, mit denen während der dunklen Jahreshälfte die Stuben beleuchtet wurden. Die Wikinger verwendeten ihr Holz gerne für den Bau ausgeklügelter Schiffe, dank derer die gefürchteten Nordmänner weltberühmt wurden.
Im Gespräch mit dem Geist der Rotkiefer offenbarte sie mir folgendes:
Wie bewegte Luft, die durch die Kronen strömt,
wirst du mit frischer Atemluft von mir verwöhnt.
Ich bin der klare Wind, der durch dich weht, dich aufweckt, schüttelt und erregt.
Lösend und erweiternd ist mein Geist,
belebend meine Kraft,
die deine innere Stärke speist.
Mit mir magst du in Klarheit schauen,
was hilft, in dir zu ruhen
und dem Leben zu vertrauen.
Um dich stetig zu verwandeln,
damit du kannst aus freien Stücken leben
wie auch handeln.
Kraftbaum Rotkiefer für dein Seelenheil
Die Rotkiefer als Baumverbündete wirkt vor allem reinigend, befreiend, kräftigend und belebend. Ihr luftiges Wesen macht wach, vitalisiert, regt an, Neues zu erforschen und das Leben in all seiner Vielfalt zu erfahren. Als ein Lichtbaum vermittelt sie dir hier zusätzlich die helle und lebensbejahende Kraft der Sonne.
Alles in allem wirkt sie wie ein Tonikum, das neue Kraft, Lebensmut und Antrieb verleiht. Damit einher gehen lösende und transformierende Eigenschaften, die dich dabei unterstützen, wieder in den natürlichen Fluss zu kommen. Es ist insgesamt eine spielerische, ausgelassene und ungestüme Seite, die die Rotkiefer in dir zu aktivieren vermag, gepaart mit ungeheurer Zähigkeit und enormer Widerstandskraft. Mit ihr als Verbündete und Kraftbaum wirst du aufgefordert, vorwärts zu gehen, das Alte hinter dir zu lassen und dich neuen Herausforderungen im Leben zu stellen.
Die Eibe – Baum der Unsterblichkeit
Die Eibe ist nicht nur die schattenverträglichste Baumart Europas, sondern auch der einzige giftige Nadelbaum unserer Breiten. Und sie besitzt die einzigartige Fähigkeit, sich mittels sogenannter „Innenwurzeln“ immer wieder zu verjüngen und damit regelrecht Unsterblichkeit zu erlangen. Und damit ist sie ein ganz besonderer Kraftbaum.
Die Kelten und Germanen weihten die Eibe der Totengöttin in ihrem dunkelsten Aspekt. So steht die Eibe als Baum im keltischen Jahreskreis für den Tod, den Untergang der Sonne, und markiert somit symbolisch vor allem die Wintersonnenwende am 21. Dezember. Und so wie zur Wintersonnenwende in der längsten Nacht des Jahres das Licht wiedergeboren wird, führt auch die Eibe als Hüterin der Schwelle in die tiefste Dunkelheit, aus der gleichzeitig das neue Leben entspringt. In diesem Sinne war sie ein „Lebensbaum“, der den ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt versinnbildlichte und genau aus diesem Grunde traditionell auf Grabhügel, also auf Friedhöfen, gepflanzt wurde.
Im Gespräch mit dem Geist der Eibe offenbarte sie mir folgendes:
Ich bin die Hüterin der Schwelle,
die Gebieterin über den Ozean
und über jede einzelne Welle.
Bin die stille Mitte, wo sich nichts bewegt,
die große Einheit, welche alles Leben in sich trägt.
Ich befehle niemandem das eigne Sein,
was ich dir gebe, ist die Macht des Sterbens ganz allein.
So sei behutsam, achtsam, weise,
geh mit sanften Schritten leise,
um zu betreten das, was heilig ist,
und zu erbeten das, was dir gewiss.
Kraftbaum Eibe und dein Seelenheil
Unter einer Eibe wirst du, sofern du ihre Dunkelheit nicht scheust, wunderbar meditieren können. Jenseits des Verstehens und Denkens führt sie dich an den Ort der Stille, hin zu dir selbst. Plötzlich entsteht ein Raum für größeres Verstehen, tiefgreifende Einsichten, und du bekommst Zugang zu dem, was du als deine natureigene, dir innewohnende Wahrheit bezeichnest. Sie kann dir dabei helfen, Gelassenheit, Ruhe und inneren Frieden zu erfahren sowie weise und im Einklang mit dem Moment zu handeln. Als Baum der Unsterblichkeit steht die Eibe für den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt. Sie lässt dich in tiefste Dunkelheit eintauchen und all das annehmen, was da ist, um es schließlich loszulassen und in neuer Kraft wieder aufzuerstehen. Alle Aspekte, die sie dir hierbei vermittelt, wirken beruhigend, angstlösend, kräftigend und schenken dir Zuversicht.
Mit dem Geist der Bäume in Kontakt treten
Um in Kontakt mit deinem Baumverbündeten zu kommen, musst du rein gar nichts wissen – du hast alles in dir, das bereits längst weiß. Das einzige, was du zu tun hast, ist die Bereitschaft, dich auf dieses Kraftfeld Natur einzulassen, deinen Geist für das Nichtwissen zu öffnen und bereitwillig ins Fühlen zu gehen. Denn die Natur kommuniziert mit uns vor allem über die emotionale Ebene. Oder in anderen Worten: Die Grundschwingung der Natur mit all ihren sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfen ist rein auf der Gefühls- oder Herzebene angesiedelt. Marco Pogacnik, einer der bekanntesten Autoren auf dem Gebiet der Naturwahrnehmung, bezeichnet sie wunderschön „als eine Grundschwingung liebender Freude…“
Wenn du es also zulässt, wirst du nicht umhin kommen, dass dich der Baum, die Blume, der Kraftplatz, der Kraftbaum oder der Feuersalamander am Boden findet und dich auf einer Ebene berührt, die deinem Alltagsdenken völlig verborgen bleibt. Und wenn das geschieht, richtest du dich auf die Kraft aus, die aller Schöpfung zugrunde liegt. Du beginnst wieder Teil eines großen Ganzen zu sein und damit ein Stück weit zu heilen („ganz“) zu werden.
Bäume als Seelenbegleiter heute
Wonach sich das menschliche Herz letztendlich verzehrt, ist Seelenheil. Wir alle suchen nach unserer Wahrheit, nach dem, was wir Liebe, Friede, Eins-Sein oder All-Verbundenheit nennen. Es ist das, was uns letztendlich unsere Kraft und Vitalität zurückbringt, uns innere Gelassenheit, Selbstliebe und damit auch körperliche Gesundheit schenkt. Die bedeutendste Kraftquelle dafür befindet sich direkt vor unserer Nase – die Natur. Für mich ist sie die unmittelbarste Verbindung zur Urquelle allen Seins. Und eine ihrer wichtigsten Vertreter sind die Bäume in all ihrer vielfältigen und wundersamen Wesenserscheinung.
Es ist für uns heute überlebenswichtig, die Liebe zu Mutter Natur in uns uns wieder zu erwecken und uns daran zu erinnern, dass Bäume so viel mehr sind als Holzlieferanten, Gestaltungsobjekte oder Sauerstoffproduzenten. Sie sind vor allem eines: Gefährten und Verbündete, die uns Seelenheil schenken können – heute mehr denn je.
Alfred Zenz ist als Seelengärtner im Bereich Naturvermittlung, Bewusstseinstraining und Persönlichkeitsentwicklung tätig. Durch seine langjährige Tätigkeit als Garten- und Landschaftsgestalter schöpft er aus über zwanzig Jahren Erfahrung im kreativen Umgang mit Pflanzen, Natur und Landschaft. Er gilt als Experte auf dem Gebiet der essbaren Wildpflanzen und führt als professioneller Natur-Coach Workshops und Naturseminare an besonderen Kraftorten in Österreich. Seit 2016 leitet er Trainings und Ausbildungslehrgänge für das mediale Wahrnehmen von Pflanzen- und Naturwesen.
Alfred Zenz, Vater Eiche – Mutter Linde
248 Seiten, 25,00 Euro, Scorpio Verlag
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