Schaust du regelmäßig auf Facebook, Instagram, YouTube und so weiter nach, ob sich die Zahl deiner digitalen Freunde und Follower erhöht hat? Leistest du in deinem Job freiwillig Überstunden, und erweist du Leuten auch dann Gefälligkeiten, wenn du deine Freizeit eigentlich zur Erholung benötigtest? Sagst du privaten Treffen zu, zu denen du keine Lust hast? Falls ja, tust du diese Dinge, um Anerkennung, Selbstwert und Liebe zu bekommen.
Seit der Kindheit achten wir darauf, was andere von uns denken, und deshalb ist es uns wichtiger, Ansehen zu erhalten, als eine Gelegenheit zur Selbstverwirklichung. Wir akzeptieren viele Vorgaben, passen uns den Regeln der Gesellschaft an und glauben, anders sein zu müssen als wir sind, um anerkannt zu werden. Vielleicht taucht bei dir gelegentlich der bedrückende Gedanke: „Mit meinem Leben stimmt etwas nicht.“ Weil wir glauben, die Bestätigung unseres Umfelds für ein glückliches Dasein zu benötigen, läuft unser Leben in eine ungesunde Richtung. Mit der Einsicht, dass wir dem Elternhaus, anderen Autoritäten und ihren Forderungen schon lange entkommen sind, könnten wir sofort aufhören, nach Anerkennung zu streben und uns neu orientieren. Doch leider läuft das alte Gedankenmuster in uns immer weiter: „Damit ich wertvoll bin, muss ich sein, wie mein Umfeld es erwartet.“ Egal wie alt wir sind, immer noch glauben wir daran, uns für andere verbiegen zu müssen, und richten unser Handeln fast vollständig danach aus.
Über verschiedene Wege versuchen wir, unser Selbstwertgefühl zu steigern. Vielleicht wollen wir bekannt werden und jagen im Internet nach Clicks und im Außen nach Likes. Wir erhoffen Lob und Zustimmung im Berufsleben und privatem Alltag. Und gelegentlich erwischen wir uns dabei, wie wir neidisch auf andere blicken, die scheinbar erfolgreicher sind als wir. Wir vergleichen, fühlen uns minderwertiger, und anstatt uns für den Erfolg anderer zu freuen, kritisieren wir sie. Wir möchten auch anerkannt werden!
Ansehen und Anerkennung
Die gesellschaftliche Bedeutung von Ansehen und Anerkennung spiegelt sich überall im täglichen Leben wider. Jeder kennt diese Gespräche: „Die Meiers haben es geschafft“ oder „Hast du schon gehört, Frau Schmidt hat jetzt ihren Doktortitel in Medizin.“ Meist steht das Erreichen von materiellem Wohlstand oder eines bestimmten Status im Fokus, doch nur selten wird der seelische Zustand derjenigen hinterfragt, die es „geschafft“ haben. Haben sie auch innere Fülle erhalten? Wie lange hält die Wirkung der Anerkennung an? Da unser Ego ein Mangelgefühl in sich trägt und ihm nichts genug ist, greift es nach dem Erreichen eines bestimmten Ziels sofort nach der nächsten Gelegenheit, sich mit neuer Anerkennung aufzuwerten. Es entsteht ein Teufelskreis von unendlichem Verlangen, anstatt der ersehnten Zufriedenheit.
Wenn wir nach Erfüllung im Außen suchen, werden wir Menschen begegnen, die genau wie wir ein seelisches Loch in sich tragen. Ein Bettler trifft auf einen anderen Bettler, Mangelgefühl trifft auf Mangelgefühl. Wenn wir uns in diesem geistigen Zustand gegenseitig applaudieren, kann keine wahre Erfüllung entstehen. Was kann die Anerkennung anderer bewirken, die selbst verzweifelt danach suchen? Doch unsere Angst vor Zurückweisung und Liebesentzug spornt uns weiter an, anders zu sein, und hält uns von dem ab, was wir wirklich brauchen: Gelassenheit und liebevolle Verbundenheit. Sehr oft treffen wir Entscheidungen, die mit unserem wahren Kern nichts zu tun haben. In meinem Fall hatte ich mich damals für ein „seriöses“ BWL-Studium entschieden, um die Anerkennung meiner Eltern zu erhalten, obwohl mich das Thema Wirtschaft nicht besonders interessierte.
Wir alle brauchen Kontakt
Um was es bei dieser Entscheidung wirklich ging, wurde mir erst später klar: Menschen sind Kontaktwesen. Wir wollen gesehen und anerkannt werden. Anerkennung bedeutet, erkannt zu werden, das bedeutet, sich geliebt zu fühlen. Wir brauchen das Gefühl von Verbundenheit, Zuwendung und Geborgenheit, dieser Wunsch ist naturgemäß in uns angelegt. Allerdings kann echte Wertschätzung nicht von außen kommen, denn alles, was uns dort Erfüllung liefern soll, ist vergänglich: Menschen, Beziehungen, Jobs, Ruhm und wohlwollende Worte. Alles verschwindet irgendwann wieder, ohne dass wir Kontrolle darüber haben. Das bedeutet, dass wir uns immer weiter nach neuer Anerkennung strecken müssen; und weil sich dieses Verhalten immer auf die Zukunft richtet, ist nicht vorhersehbar, ob es erfolgreich sein wird. Trotz aller Planungen und Vorsichtsmaßnahmen gesellt sich zu unserer Sucht nach Bestätigung die Angst, sie nicht zu erhalten. Das Schwanken zwischen Hoffen und Bangen erzeugt einen hohen inneren Druck.
Das Leben bestätigt dich
Ohne es zu bemerken, haben wir jedoch die wichtigste Bestätigung schon erhalten, und zwar von dem einen Leben, das wir sind. Es hat sich auch als „dich“ erschaffen und dadurch anerkannt, wie wertvoll du bist. Wärest du für das Leben nicht wichtig, würdest du nicht existieren. Deine Eltern haben nichts damit zu tun, denn sie konnten nicht planen, dass genau du erzeugt wurdest. Alles wird vom Leben erschaffen, somit ist es die einzige Autorität und das einzig Wertschaffende. Dem kannst du durch dein Tun weder etwas hinzufügen noch etwas nehmen. Du bist hier und das genügt. Entwickeln sich die Einsicht und das Gefühl, allein kraft deines Daseins kostbar zu sein, bist du nicht mehr darauf angewiesen, der Welt Liebe und Anerkennung durch gesellschaftlich akzeptierte Aktivitäten abzuringen.
Unser Ziel liegt in uns selbst
Angenommen, wir wären der einzige Bewohner auf einer einsamen Insel. Wonach würden wir noch streben, wenn es keine anderen Menschen gäbe? Viele Dinge wären uns dann wohl ziemlich egal. An diesem kleinen Gedankenexperiment können wir sehen, wie sehr wir alltäglich von der Anerkennung anderer Menschen abhängig sind. Dieses über Jahrzehnte konditionierte Verhalten hält uns an der Oberfläche des Daseins fest, wo keine Erfüllung zu finden ist. Deshalb müssen wir jetzt am richtigen Ort nachschauen: in uns selbst. Tief verschleiert unter vielen Gedankenmustern und Emotionen liegt das wahre Ziel unserer Suche: der alles umfassende Seinsgrund, mit sich selbst in Liebe verbunden. Sobald wir die stabile Grundlage unseres Daseins erkannt haben, werden wir bewusster für unsere ursprünglichen Intentionen und Inspirationen.
Um an die unerschöpfliche Quelle für echte Selbstliebe und Wertschätzung zu gelangen, ist es sinnvoll, sich Unterstützung zu holen. Hier kann eine spirituelle Begleitung, Yoga, Meditation oder einfach nur das regelmäßige Sitzen in Stille helfen. Mit etwas Glück wird irgendwann klar, dass wir nichts von anderen brauchen, weil alles Wesentliche schon in unserer wahren Natur enthalten ist.
Wenn unser Selbstwertgefühl durch Selbsterkenntnis entsteht, können wir freier und kreativer sein. Unsere üblichen Aktivitäten können bleiben, und wir erfreuen uns mehr an ihnen, weil wir nicht mehr von Meinungen anderer abhängig sind. In Begegnungen mit unseren Mitmenschen lernen wir, oberflächliche Masken zu durchschauen und den gemeinsamen, natürlichen Seinsgrund zu spüren. Durch diese tiefe Erkennung fühlen wir uns zum ersten Mal wirklich gesehen und miteinander verbunden. Und dann kann es geschehen, dass wir in vielen Bereichen mehr Zustimmung erhalten als je zuvor. Aber jetzt brauchen wir sie nicht mehr, um glücklich zu sein.
Wir erkennen uns als die beständige Liebe des einen Lebens zu sich selbst und zur ganzen Welt. Das ist Anerkennung in ihrer erfüllendsten Form.
Dirk Hessel ist spiritueller Lehrer, Buchautor und Heilpraktiker. Nachdem er als Marketingmanager eines internationalen Unternehmens und als Autor einer TV-Serie tätig war, löste eine tief greifende Bewusstseinstransformation seine Identifikation mit dem Ich radikal auf. Heute schreibt Dirk Hessel spirituelle Bücher, hält Vorträge und Seminare über das bewusste Dasein und die Befreiung aus der Illusion des Ich.
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Dirk Hessel
Was dein Leben leuchten lässt
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Schirner Verlag
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