Druiden – die mistelschneidenden „Schamanen” der Kelten – kennen wir alle aus einem kleinen gallischen Dorf. Tatsächlich hatten sie ein profundes Wissen um die heilsamen Kräfte der Natur. Bereits vor Hunderten von Jahren wendeten sie hoch entwickelte Heilmethoden an. Ihre enge Verbundenheit mit Mutter Erde erlaubte ihnen Einblicke in die Zusammenhänge allen Seins. Sie arbeiteten mit Kräutern und Bäumen, Steinen, Symbolen und reisten in die Anderswelt: Techniken, die heute wieder an Bedeutung gewinnen.
Die Anziehungskraft, die das Keltische auf die Menschen der heutigen Zeit ausübt, ist enorm. Woher kommt das? Auf diese Frage dürfte es viele Antworten geben. Die keltische Kunst beispielsweise ist zeitlos schön und spricht nicht nur das Auge, sondern oft auch das Unterbewusste an; denn sie ist nicht einfach oberflächlicher Schmuck, sie ist voller universeller Symbole, die zum Deuten einladen.
Das Gleiche gilt für die Mythologie, für die Sagen, Legenden und Märchen. Die alten Erzählungen gehen oft tief, enthalten versteckte Botschaften. Die keltische Mythologie ist bunt, vielfältig, überraschend, voller Geheimnisse. Und ein Aspekt, der untrennbar mit dieser Mythologie verbunden ist, ist die Heilkunst der Kelten.
Keltische Heilkunst – heute noch aktuell?
Eine berechtigte Frage ist: Was kann interessant sein an einer Heilkunde, die vermutlich schon lange tot ist? Tote Medizin ist unbrauchbar wie ein Päckchen Kopfwehpillen, dessen Haltbarkeitsdatum überschritten ist. Die Keltenmedizin jedoch ist nicht gestorben. Sie schwebte nur wie ein unsichtbarer avalonischer Nebel durch die Jahrhunderte und durchwob die europäische Volksmedizin mit verbindenden Fäden. Sie hat im Untergrund überlebt, nachdem die Römer weite Teile Europas unterworfen hatten und das Christentum zur religiösen Macht aufgestiegen war. Die Wohnungen von weisen Männern und Frauen, die immer mit einem Fuß auf dem Scheiterhaufen standen, weil man sie mit Schwarzmagiern und Schadenszauberern in eine Schublade steckte, waren lange Zeit ein Schlupfwinkel.
Ein anderer Hort des Wissens sind die Überlieferungen, Sagen, Lieder, Bauern- und Lebensweisheiten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Die keltische Kultur nahm einst ihren Ursprung im heutigen Österreich und im Osten Bayerns, genauer gesagt im Großraum Salzburg. Von dort breitete sie sich in alle Richtungen aus – ins heutige Italien, nach Frankreich, Spanien und Portugal, das südliche und westliche Deutschland, in die Beneluxländer, nach Großbritannien und Irland, nach Tschechien, in die Slowakei, bis nach Rumänien, das westliche Russland und sogar in die Zentraltürkei (Galatien).
Mächtige Druiden
Eine sehr einflussreiche und wichtige Berufsgruppe innerhalb der keltischen Kultur waren die Druiden. Sie bildeten eine gesellschaftliche und spirituelle Elite. Druiden haben ihr Wissen bewusst nur mündlich an Auserwählte weitergegeben. Denn historische keltische Medizinbücher sind in der Antike keine entstanden. Für Forscher in Sachen keltischer Heilkunst bedeutet dies: Mosaiksteinchen aus dem Staub der Geschichte auflesen und blank polieren. Vor allem die fantasievolle Kunst in Sachen Schmuck, Keramik oder Stein lässt uns Schlüsse ziehen.
Als schriftliche Quellen dienen die Aufzeichnungen römischer und griechischer Autoren wie Cäsar, Plinius oder Diodor. Ebenso die von irischen Mönchen ab dem fünften Jahrhundert gesammelten und aufgezeichneten Mythen, Märchen, Sagen und Legenden, aus denen man zumindest manches ableiten und daraus Zusammenhänge erstellen kann.
Spuren aus der Vergangenheit
Diese Spuren habe ich für mein Buch über die Heilkunst der Kelten zusammengebracht mit alten Liedern und Dichtungen, mit der Gralslegende, mit europäischem Volkswissen, das regional unterschiedlich noch deutliche keltische Spuren aufweist, der überlieferten mitteleuropäischen Naturmedizin und vor allem mit den universellen schamanistischen Praktiken.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass es sich nicht um ein wissenschaftliches Buch handelt, wie der Titel möglicherweise suggerieren könnte. Ich habe meine eigenen Schlüsse gezogen und versucht, ein zeitloses System zu beschreiben, das auf Basis alten und überlieferten Wissens heute noch funktionieren kann. Und dabei habe ich darauf geachtet, Damals und Heute so zu verbinden, dass der moderne Jetztzeitmensch viel mit den vorgestellten Inhalten anfangen kann.
Über keltische Heilkunde schreiben heißt, über etwas berichten, das eigentlich nie aufgeschrieben worden ist. Historisch betrachtet waren die Kelten ein antikes Volk. Wobei der Begriff „Volk“ nicht wirklich zutrifft. Es gab und gibt weder ein keltisches Gen, noch existierte je eine einheitliche keltische Nation. Ein „keltisches Reich“, wie beispielsweise das römische, hat nie bestanden. Was es jedoch ab dem achten vorchristlichen Jahrhundert als verbindendes Element verschiedener Völker und Stämme in Europa und Kleinasiens gab und gewissermaßen immer noch gibt (wenn auch in verwandelter Form), sind Sprachen keltischen Ursprungs, keltische Kunst, keltische Philosophie und Religion, keltische Kleidung, Sitten und Gebräuche, Rechtsprechung und die bereits angesprochenen Mythen und Märchen.
Keltische Kultur heute noch lebendig
Wie auch die keltische Kultur nicht gestorben ist, so ist auch die keltische Medizin, wie gesagt, nicht tot. Sie war nur verborgen, weil lange Zeit bedroht. Heute lebt das Wissen der oft als „Eichenpriester“ bezeichneten Druiden wieder auf. Jedoch nicht als überliefertes und fortwährend praktiziertes System wie die chinesische oder tibetische Medizin, der Ayurveda oder andere östliche Heilweisen. Vielmehr als ein Verständnis dessen, was Heilkunst einst war und wieder werden kann.
Als ein Schlüssel zur Wiederganz-Werdung: Die Druiden als keltische Ärzte scheinen sich dessen bewusst gewesen zu sein, dass Heilung immer mehr ist als das in der westlichen Medizin mehrheitlich praktizierte Wegnehmen von Symp-tomen und/oder Beschwerden. Der gravierende Unterschied zwischen keltischer Heilkunde und moderner Medizin ist der, dass die druidischen Heiler einem kranken Organismus und dem ihm innewohnenden Geist Energien, Schwingungen und Informationen zufügten, um auf diesem Weg psychische und körperliche Disharmonien auszugleichen und damit eine Selbstheilung einzuleiten, während heutzutage meist Arznei als Gegenmittel verordnet wird.
Keltischer Schamanismus
Die keltischen Druiden waren Schamanen. Sie benutzten verschiedene Techniken und Hilfsmittel, um in eine Trance zu geraten, mittels derer sie in die Anderswelt reisen konnten. Die Anderswelt war für die keltischen Menschen die Region der Elfen, Feen, Kobolde und Götter. Und von denen gab es zahlreiche. Die Schamanen kommunizierten mit den Vertretern der feinstofflichen Bereiche. Von ihnen erhielten sie wichtige Hinweise, zum Beispiel über einzusetzende Heilpflanzen oder wirksame therapeutische Methoden. Davon habe ich in meinem Buch einige vorgestellt, immer mit dem Augenmerk, dass sie zeitlos sind und universell funktionieren können, wenn man sich darauf einlässt. Achtsamkeit ist ein wesentlicher Aspekt, auch Sinnhaftigkeit, psychischer Selbstschutz, heilende Worte, magische Zeichen, der Umgang mit Klängen, Licht und Farbe, gesunde Ernährung, Baumbewusstsein, Düfte, Edelsteine, Massagetechniken, bewusstes Träumen, Ortsheilung und Erdenergie.
Was ist das Besondere an der keltischen Heilkunst? Sie ist ganzheitlich. Alles, was dem Kranken auf dem Weg zur Gesundung nützt, ist auch sinnvoll. Ein hervorstechendes Merkmal der antiken Druiden war ihre Vielseitigkeit. Pflanzenheilkunde, Heilen mit Licht, Klängen, Farben und allen anderen Erscheinungsformen vorhandener Energien waren ihnen ebenso geläufig wie die Teamarbeit mit den Geistern oder psychotherapeutische Maßnahmen. Wenn wir heute den Geist der keltischen Heilkunst wiedererwecken wollen, ist es sinnvoll, ebenso vielseitig zu sein.
Die Feen-Übung
Aus den zahlreichen Übungen in meinem Buch möchte ich hier, in gekürzter Form, eine vorstellen, die gerade in Zeiten, in denen Viren Angst und Schrecken verbreiten, eine hilfreiche meditative Unterstützung sein kann:
Ich selbst habe eine kleine Vor-dem-Einschlafen-Meditation, die auf den ersten Blick ein wenig kindhaft erscheint. Das hat seinen Grund, denn ich habe sie in meiner Kindheit für mich selbst gefunden. Da sie aus meiner Sicht sehr wirksam ist, habe ich sie beibehalten.
Ich stelle mir vor, dass in meinem Körper – in den Gefäßen, in den Organen, in den Knochen, überall – abertausende kleine, helle Feen leben. Diese Feen haben Zauberstäbe in den Händen, mit denen sie strahlendes, heilendes Licht hervorrufen und dieses Licht in jede Region meines Körpers schicken können. Diese Feen sind auch in der Lage, Dinge, die nicht in meinen Körper gehören, beispielsweise, wenn ich etwas gegessen habe, das mir nicht bekommt oder wenn ich mir Bakterien oder Viren eingefangen habe, mit einer Art Schmetterlingsköcher einzufangen und sie rauszuschmeißen.
Ich stelle mir vor, dass ich die Erreger ausatme und sie sich in Luft auflösen. Die Feen sind alle miteinander in Kontakt und freuen sich sehr, dass ihre Gemeinsamkeit so gut funktioniert. Sie stärken sich gegenseitig und auch die Körperregionen, in denen sie unterwegs sind. Diese Feen sind stark in der Gemeinschaft, ihre Zusammenarbeit funktioniert optimal. Und ich danke diesen wunderbaren kleinen Wesen von ganzem Herzen.
Übung: Leben im Hier und jetzt
Haben Sie schon einmal eine Katze beobachtet, wenn sie durch die Natur streift? Sie ist hellwach. Mit all ihren Sinnen ist sie in der Gegenwart. Sie registriert jede Bewegung, jedes Geräusch, jeden Geruch. Sie lebt jetzt, im Augenblick. Für die Katze ist das Leben ein andauernder Moment. Sie denkt nicht an den Schnee von gestern oder an den Regen von morgen. Für sie zählt nur das, was ist. Wenn eine Katze auf der Jagd ist, ist sie auf der Jagd. Wenn sie in der Sonne oder am Ofen liegt, genießt sie die Wärme, gibt sie sich ganz dem Wohlfühlerlebnis hin.
Und der Mensch? Am Arbeitsplatz träumt er vom Urlaub, im Urlaub denkt er an die Arbeit. Am Abend denkt er an den Morgen, am Morgen hat er schon den Abend im Sinn. Durch unser zukunftsgerichtetes Denken leben wir viel zu oft in einer Art Trance, eingeschlossen in unsere eigene Gedankenwelt. Richtig wache Momente sind die, wenn wir uns der Natur, oder besser: dem Natürlichen, nahe fühlen. Wenn die Zeit plötzlich stillzustehen scheint und die Sekunde zur kleinen Ewigkeit wird.
Es gehörte zur Lebensart der keltischen Druiden, den Moment zu schätzen. Sie waren sich ihres Daseins im Hier und Jetzt bewusst. Die „Eichenpriester“ trainierten im Wald ihre Sinne, schärften über viele Jahre Augen, Ohren, Nase, Fingerspitzen und Gaumen und vor allen den sechsten Sinn, die außersinnliche Empfindungskraft. In diesem Sinne ist jede Katze ein Druide!
Wenn Sie selbst den Wunsch verspüren, viel öfter als bisher im Hier und Jetzt zu sein, können Sie von der Katze lernen. Halten Sie öfter einmal inne, schauen Sie sich Ihre Umgebung an, bis ins Detail, ohne zu analysieren. Konzentrieren Sie sich auf das, was Ihre Hände gerade berühren. Welche Düfte oder Gerüche dringen gerade an Ihre Nase? Welche Klänge empfängt Ihr Ohr? Kümmern Sie sich in diesem Moment nicht um das, was gestern war oder morgen kommt. Seien Sie sich einfach Ihrer Bewusstheit bewusst – wach, klar, aufmerksam. Richten Sie Ihr Empfinden auf den Atemrhythmus. Lockern Sie Ihre Muskeln, entspannen Sie Ihre Bauchdecke. Sie sind ein Bestandteil Ihrer Umgebung, ein Teil des Ganzen, das Sie umgibt. Wenn Sie diese kleine Übung in Ihren Alltag integrieren, werden Sie lernen, sich wie eine Katze wohl zu fühlen. Sie brauchen ja nicht gleich anzufangen zu schnurren.
Claus Krämer, Reporter, später Drehbuch- und Songschreiber, schließlich Buchautor. Bisher hat er 15 Bücher geschrieben. Sein Interesse galt schon immer traditionellen Heilsystemen. Bis 2016 betrieb er eine eigene Praxis, heute schreibt, malt und musiziert er im Rheinland.
Lesetipp:
Claus Krämer
Die Heilkunst der Kelten
288 Seiten, 24,95 Euro
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