Die Suche nach dem Jungbrunnen, der Quelle der ewigen Jugend, fasziniert die Menschheit seit Jahrtausenden. Wir finden diesen Mythos in unterschiedlichen Ausformungen in fast allen Kulturen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse legen nun nahe, dass dieser uralte Wunschtraum vielleicht doch wahr werden könnte.
Alexander der Große suchte ebenso nach dem Jungbrunnen wie die alten Römer und die Alchemisten im Mittelalter. Im tibetischen Buddhismus wird die Idee der vom Altern befreiten Menschen den Bewohnern des verborgenen Königreichs „Shambhala“ zugeschrieben, das zahlreichen Literaten als Inspiration gedient hat. Auch viele Maler und Filmregisseure verarbeiteten diesen Mythos. Aber kann jemand ernsthaft daran glauben?
Die Suche nach dem Jungbrunnen im Silicon Valley
Überraschenderweise lassen sich ausgerechnet Wissenschaft und Wirtschaft in jüngster Zeit vom Jungbrunnen-Mythos begeistern. High-Tech-Milliardäre wie Amazon-Boss Jeff Bezos oder PayPal-Gründer Peter Thiel investieren hunderte Millionen Dollar in die Anti-Aging-Forschung. Google und seine Gründer Larry Page und Sergey Brin haben sich mit 750 Millionen Dollar am Biotechnologie-Startup Calico beteiligt. Die Unternehmens-Website verkündet das Motto: „Wir bekämpfen das Altern, eines der größten Mysterien des Lebens.“ Alle diese Firmen stehen erst am Anfang ihrer Arbeit, und man darf sich fragen, ob es sich bei diesen hochtrabenden Plänen, das Altern mithilfe von Technologie abzuschaffen, nicht bloß um größenwahnsinnige Wunschträume spleeniger Milliardäre handelt. Ist Alterung nicht etwas Unvermeidbares, das automatisch abläuft und Teil der physischen Existenz ist?
Der „echte Jungbrunnen“ und wo wir ihn finden
Streng genommen ist Alterung eigentlich etwas, dem nur unbelebte Dinge unterliegen. Im Gegensatz zu toter Materie erneuert sich die Materie in belebten Organismen ununterbrochen. Beim Menschen bilden sich täglich 50 bis 70 Milliarden neue Zellen, bis wir regelmäßig alle zehn Jahre wieder komplett erneuert sind. Was wir als „Altern“ bezeichnen, ist keine Abnutzungserscheinung, sondern ein Entwicklungsprozess wie die Pubertät. Der wissenschaftlich korrekte Begriff für das Altern lautet deshalb auch „Seneszenz” – die Vergreisung. Dieser hochkomplexe Prozess der Seneszenz ist primär den höheren Lebewesen mit geschlechtlicher Fortpflanzung vorbehalten. Es ist quasi ein evolutionärer Vorteil, wenn die Eltern ihren besser an die Umwelt angepassten Nachkommen nach Paarung und Aufzucht kampflos die Ressourcen überlassen. Für das Individuum mag es tragisch sein, altern und sterben zu müssen, für die gesamte Population ist es ein großer Vorteil. Primitive Lebensformen wie Einzeller oder auch Süßwasserpolypen dagegen kennen keine Alterung, ebenso wenig wie viele Vertreter aus dem Reich der Pflanzen.
Das älteste bekannte Lebewesen auf der Erde ist Übrigens eine amerikanische Zitterpappel, deren Alter auf rund 80.000 Jahre geschätzt wird und die noch immer jedes Jahr so frische Blätter wie ein hundertjähriger Kollege treibt. Besonders beeindruckend in diesem Zusammenhang sind Beispiele aus der Tierwelt wie die „unsterbliche Qualle“ Turritopsis dohrnii. Wenn ihre Lebensfunktionen nachlassen, lässt sich diese unscheinbare Qualle auf den Meeresboden sinken, regeneriert ihr gesamtes Zellvolumen und bringt es in den Urzustand zurück. Turritopsis dohrnii lebt ohne zeitliche Begrenzung in einem immer jungen Körper, solange sie nicht gefressen wird. Wir können das Tier gleichsam beim „Bad im Jungbrunnen“ beobachten. Was ist bei uns Menschen dann so anders? Die Hautzellen eines 90-Jährigen sind doch eigentlich auch frisch wie ein Babypopo.
Kein Naturgesetz und kein Gen zwingt uns zum Altern
Warum und wie wir altern, ist bis heute nicht restlos geklärt. Es existieren mehr als 300 unterschiedliche Theorien zum Altern, und keine einzige kann die Summe an degenerativen Vorgängen vollständig erklären. Mit am bekanntesten ist die Theorie der Telomere, deren Entdecker Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak 2009 dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Die Telomere sind Schutzkappen am Ende der Chromosomen, in denen unser Erbmaterial gespeichert ist. Bei jeder Zellteilung werden diese Schutzkappen etwas kürzer und die Qualität der Zellkopie immer schlechter, bis sie schließlich abstirbt. Die Telomere bilden gleichsam eine Art „Alterscountdown“, der die maximale Lebensdauer eines Organismus zu erklären hilft. Daneben gibt es zahlreiche weitere Erklärungsmodelle – von der Theorie der Freien Radikale über die chronischen Entzündungen und die seneszenten „Zombie-Zellen“ bis zur Glykation, die zur verheerenden „Verzuckerung der Zellen“ führt (genaueres zu diesen Alterungsmechanismen, und welche Jungbrunnen-Strategien dagegen helfen, finden Sie im Buch „Die Jungbrunnenküche“).
Die Informationstheorie des Alterns von Professor David Sinclair ist der jüngste Beitrag zum Thema. Sinclair versteht Alterung als Informationsverlust. Er vergleicht unsere DNA mit der digitalen Information auf einer Audio-CD. Digitale Informationen können beliebig oft ohne Qualitätsverlust kopiert werden. Allerdings bekommt das analoge Trägermaterial mit der Zeit immer mehr Kratzer, und falls man diese nicht aufpoliert, nehmen die Störgeräusche sukzessive zu, bis der CD-Player die Musik gar nicht mehr abspielen kann. Professor Sinclair ist überzeugt, dass es in Zukunft möglich sein wird, eine „Backup-Kopie“ unseres Erbmaterials zu speichern, um sich dann alle fünf bis zehn Jahre gegen das Altern impfen zu lassen.
Ist Altern „heilbar“? So aktivieren Sie Ihren inneren Jungbrunnen
Auch wenn Professor Sinclair gesteht, dass eine Impfung gegen das Altern noch nicht in unmittelbarer Sichtweite ist, können wir doch schon jetzt viel unternehmen, um unsere „Alterungs-CD“ intakt zu halten bzw. deren Kratzer aufzupolieren. Sinclairs wichtigste Empfehlung lautet in dieser Hinsicht: Intervall-Fasten. Fasten aktiviert praktisch alle Jungbrunnen-Strategien des Körpers — von der Zellreinigung, der Autophagie, bis zu den sogenannten Sirtuinen, besondere Enzyme, die gleichsam eine Politur für unsere „Alterungs-CD“ bilden. Noch ein anderes Jungbrunnen-Enzym, die Telomerase, die den Alterungs-Countdown der Telomere zurücksetzten kann, wird durch Intervallfasten aktiviert. Der gesenkte Blutzucker beim Fasten schützt außerdem gegen die Glykation, die „Verzuckerung“ der Zellen. Ähnlich umfassend wie das Fasten verjüngt auch die körperliche Bewegung, vor allem dann, wenn sie in freier Natur ausgeübt wird. Auch guter Schlaf und ein entspanntes Leben halten die Zellen jung. In einer wissenschaftlichen Studie konnte gezeigt werden, dass Meditierende deutlich längere Telomere haben und ihr Alterungs-Countdown um rund ein Drittel langsamer läuft als bei nicht meditierenden Menschen. Und auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Während weißer Zucker und chemische Lebensmittelzusatzstoffe wie Schmirgelpapier auf unsere „Alterungs-CD“ wirken, aktivieren natürliche sekundäre Pflanzenstoffe wie das Resveratrol in Traubenschalen die Jungbrunnen-Strategien unserer Körperzellen ganz besonders.
Ein 256 Jahre alter Chinese? Jungbrunnen-Alchemie und Kräuterkunde
Die höchsten Konzentrationen an diesen pflanzlichen Jungbrunnen-Stoffen finden wir übrigens in Kräutern und Gewürzen. Nicht umsonst ranken sich viele Gerüchte um die Jungbrunnen-Tränke der Kräuterhexen und Alchimisten. Der legendäre chinesische Kräuterkundler Li Ching-Yuen soll mit Hilfe seiner Kräutermischungen angeblich 256 Jahre alt geworden sein. Ob diese Behauptungen stimmen, sei dahingestellt. Wissenschaftlich belegt ist, dass sekundäre Pflanzenstoffe wie die Polyphenole die verjüngenden Sirtuine aktivieren. Andere wiederum befreien uns von seneszenten „Zombie-Zellen“. Manche Kräuter wie Ashwagandha und Astragalus können sogar den Alters-Countdown der Telomere zurücksetzen. Tees aus speziellen Kräutermischungen sind in dieser Hinsicht besonders effektiv, da sich bestimmte Kombinationen aus Pflanzenstoffen in ihrer zellverjüngenden Wirkung potenzieren — und das praktisch kalorienfrei. Manche Tees erleichtern zusätzlich das Fasten, indem sie den Appetit reduzieren und unterstützen so den doppelten Jungbrunnen-Effekt.
Doch wie auch im Fall von Li Chin-Yuen, der zeitlebens Qigong und spezielle Atemtechniken praktizierte, braucht es eine ganze Palette an Strategien, um den zahlreichen Alterungsmechanismen des Körpers Paroli zu bieten. Der Jungbrunnen ist als Lebensstil zu verstehen. Aus spiritueller Sicht inkludiert das auch, den Tod und das Altern mit entspannter Gelassenheit zu akzeptieren. Wir brauchen uns über ein paar Falten mehr oder weniger keine grauen Haare wachsen lassen. Und es geht auch nicht darum, dem sprichwörtlichen Leben möglichst viele Jahren zu geben, sondern den Jahren möglichst viel Leben. Sprich: Bis zum Ende vital und glücklich und in jeder Hinsicht beweglich zu bleiben, das ist zweifellos möglich — und dabei hilft der Jungbrunnen-Lebensstil.
P.A. Straubinger ist Autor („Der Jungbrunnen-Effekt“, über 75.000mal verkauft), Journalist (ORF), Filmemacher („Am Anfang war das Licht“) sowie Meditations- und Fasten-Trainer. Er beschäftigt sich seit über zwei Jahrzehnten mit Fasten, Meditation, Kräuterkunde und ganzheitlichem Anti-Aging in Theorie und Praxis. Sein Intervallfasten-Ratgeber „Der Jungbrunnen-Effekt“ war das meistverkaufte Sachbuch des Jahres 2019 in Österreich. Auch das Folgebuch „Der Jungbrunnen-Effekt: Mein Praxisbuch“ wurde zum Nummer-1-Bestseller. Aktuell hat er mit der Ernährungswissenschaftlerin Margit Fensl und der Coach Nathalie Karré „Die Jungbrunnen-Küche“ über die verjüngende Kraft des Essens veröffentlicht. Auf Basis seiner Erfahrungen produziert er außerdem seinen eigenen Jungbrunnen-Fastentee „Shiriing“, der Fasten erleichtert und zellverjüngende Enzyme aktiviert (Bücher und Tee erhältlich unter www.pastraubinger.shop).
Margit Fensl, P. A. Straubinger, Nathalie Karré:
Die Jungbrunnen-Küche – Wie Sie mit den Geheimnissen der Natur lange und glücklich leben
160 Seiten, 25,00 Euro, Kneipp-Verlag
Tipp:
Autor P. A. Straubinger wird auf der besucherstärksten Messe ihrer Art im deutschen Sprachraum „gesund & glücklich“ vom 12. bis 14. Nov. 2021 in Klagenfurt am Wörthersee u. a. mit Vortrag und Tagesworkshop vertreten sein.
Discussion about this post