„Ein vernünftiger Mensch muss es verstehen, sich bei Krankheitsfällen durch eigene Kenntnisse zu helfen, wohl wissend, dass für die Menschen die Gesundheit das wertvollste Gut ist.“
Hippokrates (460-375 v. Chr.)
Was veranlasst einen jungen, aus dem Allgäu stammenden Arzt, von heute auf morgen seinen Beruf als Assistenzarzt an einem Krankenhaus in Offenbach hinzuschmeißen, um zwei Jahre lang quer durch die Alpen zu wandern, die ihn, wie er sagt, zu „Heilern, Kräuterkundigen, Knochenbrechern und Stallknechten sowie zu guten und schlechten Gasthäusern“ führte?
Eine Begegnung mit einem in den Niederlanden wohnenden und aus den USA stammenden Lehrer mit Sinti-Wurzeln veränderte das Leben von Klaus Karsch grundlegend. Denn bei dieser Begegnung wurde dem jungen Arzt prophezeit, dass er zwei Jahre lang quer über die Alpen wandern würde. Diese Vorhersage fiel bei ihm auf fruchtbaren Boden, denn er war schon damals von Zweifeln an der reinen „Apparatemedizin“ geplagt. Ihn interessierte die „Medizin der einfachen Mittel“ und nicht die Medizin aus seiner Studienzeit, die auf „seltene Krankheiten“ ausgerichtet war. Er sagte damals zu sich: „Alles ist EINS.“ Die holistische Medizin auszuüben war daher sein Ziel.
Ethnomedizinische Alpenquerung
Also tauschte Klaus Karsch seinen Arztkoffer mit einem Rucksack und zog 1979 unter dem Motto „Ich hebe den Heilschatz der Alpen“ los, um im Gebirge jene Medizin zu finden, die seinen Vorstellungen vom „Arzt sein“ entsprach. Zwei Jahre war er unterwegs und fand bei seiner „ethnomedizinischen Recherche“ jenes alte Heilwissen, das er aufschrieb und einige Jahre später in seiner eigenen Praxis anwandte.
Klaus Karsch hat bei seiner Alpenquerung zu Fuß Menschen kennengelernt, die erstaunliche Fähigkeiten bei der Behandlung von Gelenkschmerzen hatten. Dabei beobachtete er, dass jeder dieser „Laiendoktoren“ nur bestimmte Körperteile behandeln konnte. So war in einer Gemeinde der eine für Knieschmerzen, der andere für Kreuzschmerzen, der andere für Hüftschmerzen, der eine für dies, der andere für das zuständig. Es waren also Spezialisten. Wenn eine Person gleichzeitig Schmerzen an zwei unterschiedlichen Stellen hatte, musste sie meist zwei dieser „Boindlrichter“ aufsuchen.
Karsch: „Und als ein weiteres Phänomen konnte ich feststellen, dass diese ‚Knochenheiler‘, wie sie auch genannt worden sind, im gesamten Alpengebiet mit demselben Prinzip arbeiteten, obwohl sich die meisten untereinander überhaupt nicht kannten. Die meisten der Handgriffe – wo auch immer ich war – zeigten eine erstaunliche Übereinstimmung, lediglich ob sie sanft oder drastisch ausgeführt worden sind, war oftmals unterschiedlich. Für mich war sehr bemerkenswert, dass alle Heiler ausschließlich Griffe angewendet haben, die eine Lockerung des Sehnenapparates zum Ziel hatten.“
Die Art und Weise, wie die „Laiendoktoren“ ihr Wissen dem wandernden Arzt mitgeteilt haben, war für Klaus Karsch ein großes Vergnügen. Sie haben wenig über ihr Tun und Wirken gesprochen, sondern sie haben es demonstriert. Was er oft von ihnen gesagt bekommen hat, war: „schau‘s da halt an…, aber kapiera wirst es sowieso net.“ „Ich habe es also gelernt, weil es mir gezeigt worden ist. Ich spürte, dass man sich auf diese Menschen und deren Art und Weise einlassen musste, um ihr Wissen zu verstehen“, sagt Karsch im Rückblick.
Skribben – neues Wort, alte Methode
Karsch fasste dieses gesamte Wissen zu einer einheitlichen Methode zusammen, nicht nur, um sie bei seinen eigenen Patienten anzuwenden, sondern auch, um es in Ausbildungen weiterzugeben. Und er nannte diese Methode der manuellen Gelenkmobilisation alsbald „Skribben®“.
„Dieser Name ist eine von mir in der Spontanität entstandene Wortschöpfung. Ausgangspunkt waren die Laute eines Schäfers. Eines Tages sah ich, wie der Schäfer an den Beinen eines Schafes ruckartig zerrte und zog und dabei immer wieder ‚Skribb – Skribb – Skribb‘ murmelte.“
Seit dieser Begebenheit nenne Klaus Karsch „seine“ manuelle Gelenkmobilisation „Skribben“. Vor einigen Jahren hat er diesen Namen als Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen, insbesondere deshalb, weil er diese Methode so weiterentwickelt hat, dass sie für die heutige Zeit anwendbar ist. „Mir geht es vor allem auch darum, dass diese einfache, ursprüngliche, traditionelle Gelenkbehandlung nicht verändert wird. Und dass der Begriff ‚Skribben‘ nicht für andere manuelle Gelenktherapien benutzt wird“, sagt der Arzt. Zur Lehrberechtigung in Skribben bietet er eine entsprechende Ausbildung und einen Lizenzvertrag an.
Die Funktionsweise von Skribben
Das Bestechende an der Gelenkmobilisation Skribben ist ihre fast risikolose Anwendung, die leichte Erlernbarkeit und der Erfolg der Behandlung. Für Skribben ist charakteristisch, dass sowohl an den tastbaren Sehnen selbst, die die Gelenkteile miteinander verbinden, als auch an den Sehnenübergängen zu der Muskulatur gearbeitet wird. Dort befinden sich die Golgi-Sehnenorgane, die bei Verspannungen und starken Kontrakturen oft schmerzempfindlich sind. Das Golgi-Sehnenorgan ist ein Sinnesorgan, das die Muskelspannung reguliert. Der Druck auf die Sehnen im Bereich dieses kleinen Sinnesorgans erzeugt einen nervlichen Reflex, der im Rückenmark verarbeitet wird und dann den Muskel, der zu dieser Sehne gehört, entspannt. Zurückführung der betroffenen Muskulatur in den physiologischen Tonus und gezielte Behandlung in den Bindegewebsstrukturen kann schon zur Schmerzfreiheit führen.
Genau diesen Regelmechanismus haben die Laienheiler intuitiv genutzt. Die Therapie besteht nun darin, diese Verspannungen oder Kontrakturen in den Gelenken zu lösen, um Bewegungs- und Schmerzfreiheit herzustellen. Ausgehend davon, dass der Mensch an einem Gelenk Schmerz verspürt, der auf Grund einer Verspannung hervorgerufen worden ist, wird mit den Fingern des Behandlers Druck ausgeübt und dabei eine Bewegung gemacht, die die Sehne zwingt, sich zu verlängern.
Eine Skribben-Behandlung läuft in der Regel immer nach dem gleichen Schema ab. Generell werden die einzelnen Sehnenansätze an dem entsprechenden Gelenk bearbeitet. Dazu bringt der Behandler zuerst die Sehne in eine verkürzte Lage, um sie gut ertasten zu können. Mit der einen Hand fixiert er dann mit Daumen, Zeige- oder Mittelfinger die Sehne seines Patienten, in dem er stark auf den Schmerzpunkt drückt. Mit seiner anderen Hand steuert er das Gelenk mit einer rhythmischen, in etwa drei- bis viermal ruckartig unterbrochenen Bewegung in die diametrale Richtung. Für die Dauer des kompletten Bewegungsablaufs muss der Druck auf die fixierte Sehne des Patienten vom Behandler aufrechterhalten werden. Diese geschilderten einfachen und schmerzerlösenden Bewegungen sind im Grunde das gesamte Prinzip der Therapie und bei allen Gelenken der Extremitäten und der Wirbelsäule möglich.
Warum bewirken die Skribben-Griffe Schmerzfreiheit?
Karsch: „Es hat damit zu tun, dass sich die Sehnen bzw. die Sehnenplatten durch die Griffe wieder dehnen mit dem Ergebnis, dass sich dann die Knochen bzw. die knöchernen Strukturen sozusagen von selbst einstellen. Für den Behandler ist es daher wichtig, zu wissen, wo die Sehnen verlaufen. Der Vorteil ist auch, dass die Knochen nicht verschoben werden müssen, was eine viel gewaltsamere Alternative wäre. Es nützt auch nicht sehr viel, die Muskeln insbesondere bei akuten Zuständen zu massieren. Es ist wichtig, dass man das Skribben als Lösung der Verspannungen von Sehnen, Sehnenplatten oder sonstigen sehnigen Strukturen begreift. Es gibt kein einziges Gelenk im menschlichen Körper, das nicht mit Sehnen umschlossen ist. Eine Linderung der Schmerzen wird in den allermeisten Fällen schon während der ersten Skribben-Sitzung erzielt.“
Stärkung der Volksmedizin
Der Mediziner Klaus Karsch hat angefangen, den Schatz dieses Wissens zu heben und freut sich über jeden, der bei dieser Schatzsuche im Rahmen der von ihm angebotenen Treffen mitmacht. Dabei ist es nicht wichtig, ob man als Laie, Arzt, Heilpraktiker, Masseur oder Angehöriger eines anderen Berufes, dabei ist. Wichtig ist für ihn, dass wir alle von unseren Alten lernen, um adäquate Heilmethoden und Lebensweisen zu finden, die im jeweiligen Kulturbereich zu Hause sind.
Dr. med. Klaus Karsch, Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Badearzt, promovierter Kneipp-Arzt, Ausbildung zum Mayr-Arzt. Er erforschte bei seiner 2-jährigen Wanderung durch die Alpen die tradierten Techniken traditioneller Behandlungsmethoden der Knochendoktoren und das Wissen der Kräuterkundigen und machte die dabei erworbenen Kenntnisse für die Jetztzeit nutz- und anwendbar.
Rolf Bickelhaupt, Dipl.-Verwaltungswirt (FH), ehem. Stv. Personalchef an einem Universitätsklinikum. Gesundheitsjournalist, Chefredakteur von „gesund & glücklich – Magazin für Körper, Geist & Seele“. Veranstalter der Messe „gesund & glücklich“ (besucherstärkste Messe ihrer Art im deutschen Sprachraum). Dipl. Lebenslehrer.
Dr. med. Klaus Karsch und Rolf Bickelhaupt:
Bewegliche Gelenke – Einfache Heilgriffe aus der Volksmedizin. Skribben – das Erfolgskonzept
140 Seiten, 20,00 Euro, AT Verlag
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