Die guten Nachrichten zuerst. Die Menschheit hat nur drei wirkliche Probleme: die Klimazerrüttung, das Artensterben und die alles penetrierende Verseuchung durch Plastik und andere chemische Stoffe.
Die schlechten Nachrichten: Sie alle hängen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Und die Menschheit weiß seit einem halben Jahrhundert darum, war aber trotz schöner Worte bisher nicht zu einem Kurswechsel fähig.
Die prekäre Lage des Planeten ist nun endlich in aller Munde, und es herrscht weitgehend Ratlosigkeit: weniger wegen eines Mangels an technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten – die gibt es zur Genüge! –, sondern wegen des fast vollständigen geistigen Stillstands in der Politik und in den Führungsriegen der Großindustrie.
Was können wir tun?
Die sechs wichtigsten Verbrauchertipps könnte man vielleicht so zusammenfassen, im Rang nach Wichtigkeit:
1. Kaufen Sie möglichst biologische Nahrungsmittel, denn die chemie-intensive Landwirtschaft tötet Insekten und Vögel, ja, sogar die Böden selbst.
2. Kaufen Sie weniger Billigfleisch und Fisch. Die Fleischproduktion der Welt sorgt für den allergrößten Anteil an Treibhausgasen und trägt damit am stärksten zur Klimazerrüttung bei. Die Meere sind überfischt.
3. Vermeiden Sie Kunststoffe aller Art. So gut es geht.
4. Bevorzugen Sie regionale Erzeugnisse, denn die sind viel besser als Produkte, die auf Schiffen oder gar per Flugzeug um die halbe Welt reisen.
5. Vermeiden sie Abfall. Wiederverwenden ist besser als Recycling, Recycling ist besser als Verbrennen.
6. Setzen Sie sich gegen Pestizide ein. Die Bienen und Vögel werden es Ihnen danken. Ihre Nachkommen auch.
7. Vermeiden Sie Autofahrten und Flüge, sparen Sie Energie, wärmedämmen Sie Ihr Eigenheim und tun Sie, was Ihnen sonst noch Spaß macht.
Und was ist allen diesen Punkten gemeinsam? Dass Sie als Einzelperson Verantwortung übernehmen! Dass wir aufhören, diesen wunderschönen Planeten als bloßes Ressourcenlager zu verstehen, das wir nach Belieben für unseren Luxus und unsere Launen ausbeuten dürften… und gleichzeitig behandeln wie einen Müllhaufen, indem wir es zu einem gigantischen Müllhaufen machen.
Was die Menschheit wirklich ins Grab zu bringen droht, sind nicht die “Symptome” der globalen ökologischen Krise (Klimazerrüttung, Artensterben, Verseuchung), sondern die zugrundeliegende Arroganz und Überheblichkeit des Menschen, sich für die Krone der Schöpfung zu halten, der alles zu dienen habe. Nein, wir sind nicht die Herren der Welt!
Wir sind Mitbewohner auf der reichen Erde.
Wir sind auch nicht die intelligentesten, trotz allem Eigenlob! Wale und Delphine sind messbar mit höherem IQ und höheren kognitiven Fähigkeiten ausgestattet als der Mensch. Und überhaupt ist jedem fühlenden Wesen eine Intelligenz mitgegeben, die genau für seine Bedürfnisse relevant ist. Eine Biene, ein Hai, eine Birke oder ein Adler sind besser als alle anderen darin, eine Biene, ein Hai, eine Birke oder ein Adler zu sein. Nur der Mensch, der sich von allen anderen Lebewesen abschneidet, ist weit davon entfernt, seinem menschlichem Potential gerecht zu werden.
Unsere Überheblichkeit hat uns davon abgehalten, wirklich erwachsen zu werden. Und das müssen wir nun, unter dem überwältigenden Druck der globalen Tatsachen, schnellstens nachholen. Wir wollten nur haben, haben, haben, ohne den wirklichen Preis für irgendetwas zu bezahlen. Etwas zurückzugeben. Uns zu kümmern. Dankbar zu sein.
Die indigene Anwältin, Autorin, Lehrerin und Aktivistin Sherri Mitchell/Weh‘na Ha‘mu‘Kwasset aus Maine (USA) erleuchtet auf exzellente Weise den Zusammenhang zwischen unserem Recht auf Glück (wie es jedem Lebewesen, auch nicht-menschlichen, zusteht) und der nötigen Verantwortung:
“Wasser, Nahrung, Unterkunft – wir haben die Möglichkeit, diese Dinge zu genießen, solange wir unsere Verantwortung wahrnehmen, in ausgewogener Harmonie mit dem Rest der Schöpfung zu leben. Ohne diese Balance würden wir den Boden zerstören, auf dem diese Rechte gründen. Das Versagen der Industrie, die Verantwortung für die Zerstörung unseres Planeten zu übernehmen, und unsere Nachlässigkeit und Mittäterschaft nehmen uns bald unser Recht, hier auf Mutter Erde zu existieren.« (1)
Aber einfach “der Industrie” und “der Politik” die Schuld zu geben, entspricht einem Verharren in denselben alten Denkweisen, die wir beklagen. Wir, ein/e jede/r von uns, hat diese Industrie und diese Politik mitzuverantworten (und wir leben gut als Maden in ihrem Speck). Es ist wichtig, nie zu vergessen, dass unsere Forderung nach Rechten mit einer Reihe klarer Verantwortlichkeiten ausgewogen sein muss, dass wir bereit sein müssen, mehr zu tun, als eine Forderung zu stellen, nämlich bereit sein, aktiv an der Schaffung einer Welt zu arbeiten, in der diese Forderung auch erfüllt werden kann:
Sherri Mitchell sagt:
• »Wir können keinen Anspruch auf sauberes Wasser erheben, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die Verseuchung und Übernutzung des Wassers aktiv verhindert wird.«
• »Wir können uns nicht auf ein Recht auf saubere Luft berufen, ohne die Verantwortung für die Schaffung gesunder und nachhaltiger Energiequellen und industrieller Praktiken zu übernehmen.«
• »Wir können kein Recht auf eine gerechtere Wirtschaft geltend machen, ohne Verantwortung dafür zu übernehmen, wo und wie wir unser Geld ausgeben.«
Also Schluss mit “die da oben”! Ich habe eingangs die Politik und die Führungsriegen der Großindustrie angeklagt, viel zu langsam umzudenken. Aber es liegt in meiner Verantwortung, für eine Welt aktiv zu sein, in der diese Dinge besser laufen. Das heißt, ich muss alles in meiner Macht stehende tun, damit auch “die da oben” sehen, wie der Hase läuft. Denn nur mit Verbrauchertipps für den Haushalt können wir die Bewohnbarkeit der Erde nicht retten; es sind auch Veränderungen im Großen erforderlich, wie sie nur durch Politik und Industrie erfolgen können! Dank der Jugendbewegung FridaysForFuture sowie der Kohleproteste von Ende Gelände und der Aktivitäten von Extinction Rebellion liegt ja quasi ein roter Teppich vor uns, um uns für das Leben einzusetzen.
Es ist die Liebe zum Leben und die Liebe für diesen einzigartigen Planeten, die uns die Kraft und die Inspiration geben können, die unglaublichen Herausforderungen der kommenden Jahre gut zu überstehen. Aus der Not wird eine Tugend, wenn wir auf unser Herz hören und reinen Gewissens das Richtige tun.
Siehe auch den Begleit-Artikel “Der Weg zu einem glücklichen Planeten”
Fred Hageneder ist ein führender Autor auf dem Gebiet der Ethnobotanik (kulturelle und spirituelle Bedeutung der Bäume) und ein Mitglied der Ecocentric Alliance.
Lesetipp: Fred Hageneder, Happy Planet – Jetzt handeln für eine glückliche Erde
208 Seiten, 10 Euro. Neue Erde
Quellen:
1. Meine Abschrift der Audiodatei eines Vortrags von Sherri Mitchell. http://penbay.org/deep/deepeco_102315/deep_eco_102315_4_sherri_mitchell_andfilm33min.mp3
Aber sie hat auch ein wunderbares Buch geschrieben: Sherri Mitchell (Weh’na Ha’mu’Kwasset) 2018. Sacred Instructions: Indigenous Wisdom for Living Spirit-Based Change. Berkeley (CA): North Atlantic Books.
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